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2. Dialog: Die umkehrbare Berührung, Zaunloser Beweggrund und die Grundmelodie des Widerspruchs

Aktualisiert: 13. Sept.

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SZENE: Jahre später, am gleichen Waldrand. Heute ist der Wald still. Plötzlich tritt ein Reh aus dem Unterholz auf die Lichtung. Es bleibt stehen und blickt mich ruhig an.

WANDERER: Lange habe ich über die Worte des Frosches nachgedacht, und nun erscheinst du. Ich habe aufgehört, aktiv nach dem Frosch zu suchen, frage mich aber dennoch, ob es Sinn ergibt, seine Aussagen weiter zu verfolgen.

REH: Ohren zucken leicht, Kopf neigt sich

Frosch sprach vom Teich. Ich kenne das Wasser nicht festhalten. Wind im Fell - kommt, geht. Du suchst mit Kopf, ich bin mit Körper. Dein Geist flattert wie Vogel im Käfig. Will raus, will Antwort. Aber Käfig ist in dir.

Tritt einen Schritt näher

Spüre: Boden unter Hufen. Luft in Nase. Jetzt. Nicht gestern Frosch, nicht morgen Antwort. Wind weht - ich biege mit. Du stehst starr, willst Wind verstehen. Warum nicht mit-wehen?

WANDERER: Ich verstehe... Sie sprechen von Präsenz, von dem, was die Achtsamkeitslehre "mindfulness" nennt. Aber manchmal fühlt sich mein Geist an, als wäre er ein unruhiges Tier, ständig auf der Suche, schweifend, fragend. Wie kann ich lernen, mich diesem stillen Einlassen wirklich zu öffnen, wenn ich doch immer wieder in den Kreislauf des Kontrollierens zurückfalle?

REH: Schnaubt sanft, als würde es lächeln

Du machst Worte aus allem. "Mindfulness" - was ist das? Ich kenne nur: Augen auf, Ohren wach. Gefahr? Gehe. Sicher? Bleibe. Fressen? Fressen. Durst? Trinken.

Geht ein paar Schritte, bleibt stehen

Du sagst "lernen öffnen" - aber Öffnung ist kein Tun. Blatt öffnet sich nicht - Sonne macht. Du nicht machen Stille - Stille macht dich. Hör auf mit Machen-Wollen. Sei wie... blickt auf einen Baum ...wie Stamm. Steht da. Wind kommt - Äste bewegen sich. Wind geht - Äste kommen zurück. Stamm bleibt Stamm.

Schnaubt leise

Du suchst mit Anstrengung, was nur in Entspannung kommt. Ist wie... wenn Kitz zum ersten Mal trinkt bei Mutter. Sucht nicht Milch - Milch ist da. Muss nur Mund öffnen, nicht beissen.

Dein Kopf ist Wind. Lass ihn wehen. Du bist Stamm. Das ist umkehrbare Berührung - nicht du berührst Leben, Leben berührt dich. Aber nur wenn du aufhörst zu greifen.

WANDERER: Diese "umkehrbare Berührung"... verstehe ich das richtig? Dass nicht ich die Erfahrung mache, sondern die Erfahrung mich macht? Das erinnert mich an das, was Heidegger "Gelassenheit" nannte - ein Sich-Einlassen auf das Sein, ohne es zu objektivieren. Aber dieser "Durchgang", von dem der Frosch sprach - wenn er sich nicht ansteuern lässt wie ein Ziel, wie finde ich dann zu dieser... Quelle des Klangs?

REH: Kopf schief, Ohren nach vorn

Heidegger? Wieder Menschenwort für einfache Sache. Du suchst Durchgang wie Tunnel im Berg. Aber Durchgang ist nicht Ort - ist Geschehen. Wie wenn Hirsch ruft und alle Tiere still werden. Moment des: lange Pause ...nichts machen müssen.

Bewegt sich langsam, fast tanzend

Durchgang ist Lücke zwischen zwei Atemzügen. Zwischen Schritt und Schritt. Zwischen Gedanke und Gedanke. Du kannst nicht dort hingehen - bist schon da. Immer da. Nur merkst nicht, weil suchst.

Du wartest auf grossen Klang. Aber Klang ist schon da. Hörst du? Stille Mein Atem. Dein Herzschlag. Blätter fallen. Das ist Klang. Nicht warten auf besonderen Ton - normaler Ton ist schon Wunder.

Durchgang ist: aufhören zu suchen. Dann findest du, was nie weg war.

WANDERER: Wenn mein Sinn oder der Durchgang nicht gesucht, sondern empfangen wird - wie die spirituellen Traditionen sagen - wie bleibe ich offen für das, was mir begegnet, auch wenn es mir entgleitet? Ist das diese umkehrbare Berührung - dass ich nicht greife, sondern mich greifen lasse?

REH: Steht ganz still, nur Augen bewegen sich

Entgleiten? Was soll entgleiten? Kannst du Sonne festhalten? Ich versuche nicht. Sonne scheint - ich wärme mich. Sonne geht - ich finde Schatten.

Geht zum Waldrand, kommt zurück

Du denkst, wichtige Dinge müssen bleiben. Aber Wichtigstes ist Bewegung. Blut fliesst - bleibt es stehen, tot. Wasser fliesst - steht es still, wird faul. Leben ist Fliessen.

Blickt den Wanderer direkt an

Du bist wie Kitz, will Mutter festhalten. Aber Mutter geht suchen Nahrung. Kitz lernt: Mutter kommt zurück. Oder andere Hirschkuh kommt. Oder Kitz wird stark allein. Leben sorgt für Leben.

Umkehrbare Berührung ist: du lässt Leben dich finden, statt du suchst Leben. Wie Blume nicht sucht Biene - Blume duftet einfach. Biene kommt von selbst.

Öffnung ist: Hand aufmachen, nicht zukneifen.

WANDERER: Ihre Metaphern erinnern mich an Lao Tse - das Wu Wei, das Nicht-Eingreifen, das paradoxerweise das größte Wirken ist. Aber Viktor Frankl sagte: "Sinn findet man nicht, man gibt ihn dem Leben durch die Art, wie man darauf antwortet." Was geschieht, wenn keine Antwort aufsteigt? Wenn die Berührung ausbleibt und die Resonanz stumm bleibt?

REH: Bleibt lange still, nur Schwanz zuckt

Lao Tse, Frankl... sammelt dein Kopf Namen wie Eichhörnchen Nüsse?

Schüttelt den Kopf

Hör: Wenn Winter kommt, ich antworte nicht mit Worten. Antworte mit dicker Fell. Wenn Wolf kommt, antworte nicht mit Denken. Springe.

Du fragst: "Was wenn keine Antwort?" Aber du atmest - das ist Antwort. Herz schlägt - das ist Antwort. Stehst hier im Wald - das ist Antwort.

Geht näher

Manchmal beste Antwort ist Schweigen. Wald schweigt oft. Aber in Schweigen lebt alles. Hörst du Schweigen? Hat eigenen Klang. Tiefer als Worte.

Legt sich kurz hin, steht wieder auf

Menschen denken: "Ich muss antworten mit Kopf." Aber Körper antwortet immer. Gefühle antworten immer. Warum nicht genug? Dein Herz antwortet auf Sonnenstrahl. Deine Haut antwortet auf Wind. Deine Augen antworten auf mich.

Das sind zaunlose Beweggründe - kommen ohne Erlaubnis, gehen ohne Verabschiedung. Wie Regen, wie Hunger, wie Müdigkeit. Keine Mauern um sie herum.

WANDERER: Diese "zaunlosen Beweggründe"... Sie meinen Impulse, die nicht durch Konventionen oder Erwartungen begrenzt sind? Das berührt etwas in mir... Emmanuel Levinas sprach vom "Antlitz des Anderen", das mich in Frage stellt, bevor ich überhaupt antworten kann. Bedeutet Resonanz dann auch, mich vom Anderen infrage stellen zu lassen? Die Verletzbarkeit zu akzeptieren, die das Antlitz des Anderen in mir weckt?

REH: Ohren spitzen sich, wird aufmerksam

Anderer? Du meinst mich? Ich stelle dich infrage?

Schnaubt amüsiert

Ich bin hier, fresse Gras, schaue dich an. Du machst daraus grosse Sache. "Antlitz", "Verletzbarkeit", grosse Worte für: ich sehe dich, du siehst mich.

Kommt sehr nah

Aber du hast recht: Wenn ich dich anschaue, etwas in dir wird weich. Warum? Weil ich nichts will von dir. Will nicht, dass du klug bist, reich bist, wichtig bist. Schaue dich an wie... Reh schaut Reh an. Einfach da.

Atmet ruhig

Das ist auch zaunloser Beweggrund - meine Neugier auf dich hat keine Zwecke, keine Pläne. Kommt einfach. Wie Durst kommt, wie Schlaf kommt.

Das macht verletzlich, ja. Weil du gewöhnt bist: andere wollen immer etwas. Ich will nichts. Das erschreckt dich, oder?

WANDERER: Es ist tatsächlich verstörend, ja. Ihre Art, mich anzusehen - ohne Bewertung, ohne Agenda - das ist ungewohnt. Aber was, wenn ich mich im Lauschen verliere? Woher weiss ich, dass ich vom Anderen gemeint bin, und nicht nur von mir selbst?

REH: Steht ganz still, Blick wird tief

Du verlierst dich im Lauschen? Gut! Dann hörst du endlich auf, nur dich selbst zu hören.

Lange Pause, nur Wind in den Blättern

Wer spricht gerade: ich oder du? Wer atmet: ich oder du? Wer hat Wald gemacht: ich oder du? Dumme Fragen. Alles ist zusammen. Getrennt nur in deinem Kopf.

Geht ein paar Schritte

Du fragst: "Meint mich der Andere?" Aber schau: Ich bin gekommen zu dir. Du nicht zu mir. Wald hat uns zusammengebracht. Wind trägt meine Worte zu dir. Boden trägt uns beide.

Schnauft

Das ist Grundmelodie des Widerspruchs: Du suchst Trennung zwischen mir und dir, zwischen innen und aussen. Aber Leben kennt keine Grenzen. Nur dein Kopf macht Grenzen.

Alles meint alles. Du nur vergessen.

WANDERER: Diese "Grundmelodie des Widerspruchs"... Sie meinen, dass ich ständig versuche zu trennen, was zusammengehört? Das klingt nach einer Form von Animismus... dass alles miteinander verbunden ist, beseelt. Aber wie bleibe ich da, wenn alles in mir nach Rückzug ruft? Wenn Schmerz, Unsicherheit, ja sogar die Stille, so überwältigend werden?

REH: Legt sich hin, entspannt aber wachsam

Wieder grosse Worte. Animi-was? Einfach: alles lebt. Stein lebt anders als Baum, Baum anders als ich. Aber alles atmet auf seine Art.

Chaut wiederkauend

Du willst zurückziehen? Dann zieh zurück. Ich mache auch. Wenn zu viel wird, gehe ich tiefer in Wald. Aber ich renne nicht weg aus Welt. Renne nur weg von zu-viel.

Steht wieder auf

Grundmelodie des Widerspruchs ist nicht Problem - ist wie du funktionierst. Du willst Kontrolle und Loslassen. Willst Nähe und Distanz. Willst Antworten und Ruhe. Alles gleichzeitig.

Geht näher

Schmerz überwältigend? Dann sei überwältigt. Warum dagegen kämpfen? Welle kommt - lasse über dich gehen. Dann ist vorbei. Kämpfst du, wirst müde. Lässt du geschehen, bleibst stark.

Stille überwältigend? Lacht mit den Augen Das ist lustig. Stille kann nicht überwältigen. Stille ist Pause zwischen Überwältigungen.

Bleibt stehen

Widerspruch in dir ist nicht Fehler. Ist wie... Fluss, der um Steine fliesst. Manchmal nach links, manchmal nach rechts. Aber immer fliesst.

WANDERER: Ihre Einfachheit... sie durchschneidet all meine komplexen Gedankenkonstrukte. Diese Grundmelodie des Widerspruchs, ich spüre sie in mir. Wie kann ich dem Leben lauschen, ohne gleich zu versuchen, es zu deuten oder zu messen? Gibt es ein Lauschen, das einfach nur empfängt? Das diese umkehrbare Berührung zulässt?

REH: Ohren drehen sich in verschiedene Richtungen

Siehst du? Meine Ohren hören ohne zu denken. Hören Ast brechen - sofort wach. Hören Vogel singen - entspannt. Hören nichts Besonderes - trotzdem hören.

Kommt näher zum Wanderer

Du willst lauschen lernen? Dann hör auf, Gehörtes sofort in Schubladen zu stecken. "Das bedeutet dies, das bedeutet das." Einfach hören.

Lange Pause

Jetzt: Hörst du Wind? Hörst du mein Atmen? Hörst du dein Herz? Gut. Das ist Lauschen. Keine Deutung nötig. Wind ist Wind. Atem ist Atem. Herz ist Herz.

Bewegt Ohren

Umkehrbare Berührung funktioniert so: Du stellst Ohren auf Empfang. Nicht auf Verstehen. Empfang ist wie... offenes Fenster. Wind kommt rein, oder kommt nicht. Du machst nur Fenster auf.

Wenn du anfängst zu denken "Was bedeutet das?", hast du aufgehört zu lauschen. Dann machst du wieder Geschichten.

Schnaubt leise

Lauschen ist nicht Tun. Ist Nicht-Tun. Ist da sein mit offenen Sinnen. Dann berührt Leben dich - du berührst nicht Leben.

WANDERER: Darf ich also wirklich dem folgen, was mich innerlich bewegt? Diesen zaunlosen Beweggründen vertrauen? Die Existenzialisten sprechen von der "Authentizität" - dem Mut, das eigene Leben zu leben, auch ohne äussere Bestätigung...

REH: Schnaubt ungeduldig

Existenzia-was? Hör auf mit schwere Worte!

Schüttelt sich

Du fragst: Darf ich folgen was mich bewegt? Aber schau: Baum folgt Licht. Wasser folgt Berg hinunter. Vogel folgt warmer Luft nach Süden. Niemand gibt Erlaubnis. Niemand nimmt weg.

Starrt den Wanderer an

Du wartest auf Erlaubnis-Zettel? "Hiermit darf Mensch sein Leben leben"?

Dreht sich um, geht weg, kommt zurück

Ich folge Hunger zu Gras. Folge Durst zu Wasser. Folge Müdigkeit zu Schlafplatz. Folge Angst weg von Gefahr. Folge Neugier zu... blickt zum Wanderer ...zu dir.

Stammt mit Huf

Das sind zaunlose Beweggründe - kommen ohne Papiere, gehen ohne Entschuldigung. Wie Regen. Wie Wind. Wie erstes Licht am Morgen.

Was in dir will folgen? Hör hin. Dann folge. Oder folge nicht. Aber hör auf zu fragen, ob du darfst. Das ist Grundmelodie des Widerspruchs - du willst Erlaubnis für das, was schon in dir lebt.

WANDERER: Aber entstehen diese zaunlosen Beweggründe nicht erst in der Beziehung? Levinas sagt, dass der Andere mir vorausgeht, dass meine Verantwortung aus der Begegnung erwächst... dass diese umkehrbare Berührung zwischen uns geschieht?

REH: Legt Kopf schief, Ohren nach vorn

Du magst diese Levinas-Mensch, oder? Immer wieder sein Name.

Geht um den Wanderer herum

Er sagt: Anderer kommt zuerst? Ja, stimmt. Ich war im Wald, bevor du kamst. Wald war da, bevor ich kam. Alles war da, bevor du geboren. Du nicht erste, nie erste.

Bleibt vor ihm stehen

Aber: Du auch nicht letzte. Wenn ich gehe, du noch da. Wenn du gehst, Wald noch da. Alles geht, alles kommt. Du bist dazwischen.

In diesem Dazwischen lernst du: nicht allein. Immer mit anderen. Baum, Stein, ich, Wind - alle andere. Du antwortest auf alle, alle antworten auf dich. Große Gespräch, immer am Laufen.

WANDERER: Wie aber kann ich unterscheiden, ob der feine Klang in mir wirklich meinem Innersten entspringt oder ob er nur ein Echo dessen ist, was von außen an mich herangetragen wird?

REH: Legt sich wieder hin, chaut

Innen, außen... wieder Trennung. Hörst du deinen Herzschlag? Kommt von innen. Aber Herz schlägt, weil Luft von außen kommt in Lunge. Was ist innen, was außen?

Steht auf, geht zum Waldrand

Sieh mein Fell: innen warm, außen auch warm. Warme von Sonne oder warme von Blut? Beide. Getrennt nur in Kopf.

Kommt zurück

Dein "innerster Klang" - vielleicht Echo von Wind, der vor hundert Jahren gewehen hat. Echo von Mutter-Stimme. Echo von erstem Regentropfen auf deiner Haut. Alles Echo, alles echt.

Falsche Frage: "Ist es meins?" Richtige Frage: "Tut es gut?" Wenn Klang in dir Frieden macht, gut. Wenn Unruhe macht, vorsichtig sein.

WANDERER: Wie gehe ich damit um, wenn meine Werte auf Widerstand stoßen? In unserer pluralistischen Gesellschaft gibt es keine gemeinsamen Wahrheiten mehr...

REH: Ohren zucken irritiert

Gesellschaft, Wahrheiten... du machst alles kompliziert.

Geht näher

Wenn ich Gras fresse und anderes Reh will gleiche Grasstelle - Widerstand. Kämpfen wir? Manchmal. Öfter: ich gehe anderen Platz. Viel Gras im Wald.

Du hast Werte, andere haben andere Werte. Na und? Kampf nur, wenn wichtig. Sonst: viel Platz in Welt für verschiedene Werte.

Schaut zum Himmel

Sonne scheint auf Alle. Regen fällt auf Alle. Erde trägt Alle. Grosse Wahrheiten sind einfach. Rest ist Meinung.

WANDERER: Heißt das, dass Resonanz bedeutet, offen zu bleiben für das, was kommt, selbst wenn keine Sicherheit da ist? Ohne Garantie?

REH: Nickt langsam

Endlich einfache Frage.

Steht ganz still

Garantie? Wer gibt Garantie? Morgen vielleicht Wolf kommt. Vielleicht nicht. Sonne vielleicht scheint. Vielleicht Regen. Wer weiss?

Bewegt sich ruhig

Ich lebe ohne Garantie jeden Tag. Bin trotzdem hier. Bin offen für alles: Gefahr, Nahrung, andere Rehe, dich. Warum? Weil geschlossen sein ist wie tot sein.

Kommt ganz nah

Du willst Sicherheit vor Leben. Aber Leben ist Risiko. Immer. Sicherheit ist Illusion. Vertrauen ist echt.

Resonanz ist: mitschwingen mit was ist, nicht mit was du willst dass ist.

WANDERER: Wie kann ich mich tiefer mit meinen zaunlosen Beweggründen verbinden, wenn die Welt so flüchtig ist?

REH: Schnaubt

Zaunlose Beweggründe, schöne Worte. Ich kenne: Hunger, Durst, Neugier, Angst, Müdigkeit, Spiellust. Keine Zäune um diese Gefühle. Kommen, gehen, kommen wieder.

Geht ein paar Schritte

Du willst dich "verbinden" mit deinen Gefühlen? Aber du bist nicht getrennt von ihnen! Du bist sie! Wenn Hunger kommt, bist du Hunger. Wenn Neugier kommt, bist du Neugier.

Dreht sich um

Welt flüchtig? Ja. Deshalb schön. Wäre alles fest, wäre langweilig. Flüchtigkeit macht wertvoll. Jeder Moment einmalig.

Tiefere Verbindung ist: aufhören zu versuchen festzuhalten. Dann spürst du alles intensiver.

WANDERER: Also ist Resonanz auch ein Umgang mit innerem Widerstand?

REH: Bleibt stehen, Kopf schief

Widerstand? Gegen was? Gegen Leben?

Schüttelt sich

Ich kenne Widerstand gegen Wolf, dann renne. Widerstand gegen Kälte, dann suche Schutz. Widerstand gegen schlechtes Gras, dann suche besseres.

Aber Widerstand gegen Leben selbst? Das ist wie Fisch hat Widerstand gegen Wasser. Dumm.

Kommt näher

Du hast inneren Widerstand, weil du glaubst, du müsstest anders sein. Aber du bist schon richtig. Widerstand löst sich auf, wenn du aufhörst zu kämpfen gegen dich selbst.

WANDERER: Was ist dann der erste Schritt?

REH: Steht ganz still, Blick wird sanft

Erster Schritt? Du stehst schon. Atmest schon. Herz schlägt schon. Leben lebt dich schon.

Geht langsam zum Wanderer

Wenn erster Schritt sein muss: höre auf zu suchen ersten Schritt. Sei wo du bist. Tu was du tust. Höre was du hörst. Jetzt.

Lange Pause, beide stehen still

Nicht morgen besser werden. Nicht gestern bereuen. Jetzt sein. Das ist alles. Das ist genug.

WANDERER: Ich glaube, ich beginne zu spüren, was mir wirklich wichtig ist...

REH: Ohren bewegen sich aufmerksam

Spürst, nicht denkst. Gut. Spüren ist ehrlicher.

Nickt kaum merklich

Was wichtig ist, zeigt sich nicht in Kopf. Zeigt sich in Bauch, in Herz, in... stampft leicht mit Huf ...in Boden unter Füßen.

Du beginnst zu landen. Wie Vogel, der endlich Ast findet zum Ausruhen.

WANDERER: Dann lohnt es sich also, einfach da zu sein? Nicht weil ich alles weiß, sondern weil ich mitschwingen kann?

REH: Bewegt Schwanz sanft

Lohnen? Wer fragt ob Atmen sich lohnt? Ob Herzschlag sich lohnt?

Geht zum Waldrand, kommt zurück

Dasein lohnt sich nicht. Dasein ist. Wie Stein ist, wie Baum ist, wie ich bin. Nicht weil lohnt sich, sondern weil ist.

Blickt den Wanderer lange an

Du denkst zu viel über Leben. Lebe es einfach. Mitschwingen passiert von selbst, wenn du aufhörst dagegen zu schwimmen.

WANDERER: Ich merke, dass ich tatsächlich berührbar bin. Und vielleicht darf ich mir erlauben, das zu leben, was mich bewegt.

REH: Nähert sich langsam

Endlich. Erlaubnis-Zettel von dir selbst.

Steht ganz nah

Berührbar sein ist nicht Schwäche. Ist Lebendigkeit. Tote Dinge sind nicht berührbar. Du bist lebendig.

Wendet sich zum Gehen

Lebe was dich bewegt. Aber lebe es einfach. Ohne grosse Theorie. Wie ich fresse wenn hungrig, trinke wenn durstig.

WANDERER: Und wenn die Welt für mich stumm bleibt? Wenn ich trotz aller Offenheit nichts spüre?

REH: Dreht sich noch einmal um

Dann sei stumm mit ihr. Schweigen ist auch Sprache. Stille ist auch Klang.

Lange Pause

Manchmal Wald ist still. Aber unter Stille lebt alles. Wurzeln wachsen. Käfer krabbeln. Herzen schlagen. Leben ist nie stumm. Du nur manchmal taub.

Geht langsam in den Wald

Wenn nichts spürst, spüre das Nichts-Spüren. Auch das ist Gefühl. Auch das ist Leben.

Das Reh verschwindet zwischen den Bäumen. Der Wanderer bleibt auf der Lichtung zurück, und zum ersten Mal seit langem hört er wirklich - das Rascheln der Blätter, sein eigenes Atmen, den fernen Ruf eines Vogels. Die Stille hat ihre eigene Sprache, und er beginnt zu verstehen.

WANDERER: (leise zu sich) Vielleicht ist das der Durchgang - nicht ein Ort, den ich erreiche, sondern eine Art zu sein. Hier zu sein. Jetzt zu sein. Ohne die ständige Suche nach Bedeutung, sondern im einfachen Vertrauen, dass das Leben selbst Bedeutung ist.

Er setzt sich auf einen umgefallenen Baumstamm und spürt zum ersten Mal seit langem: Er ist angekommen. Nicht an einem Ziel, sondern bei sich selbst.


Meditationen über Verbundenheit und Mitgefühl


I. Die Zustimmung zur Schwäche

Es gibt Momente, in denen das Aufgeben stärker ist als jeder Widerstand. Wenn ich meiner eigenen Hilflosigkeit nicht mehr entfliehe, öffnet sich ein Raum, still wie eine Waldlichtung nach dem Regen. Hier brauche ich nicht zu helfen, nicht zu retten, nicht stark zu sein.

Meine blosse Anwesenheit, ehrlich und ohne Panzer, ist manchmal das Einzige, was ich geben kann. Und es ist genug. Der Schmerz berührt mich, und in dieser Berührung verwandelt er sich – nicht in Freude, aber in etwas anderes: in Verstehen.

II. Das Licht der Dankbarkeit

Dankbarkeit kommt wie der Morgen – ohne dass ich sie rufe. Sie verändert nichts an dem, was ist, aber alles an der Art, wie ich es sehe. Das gleiche Zimmer wird zu einem anderen Zimmer, wenn das Licht anders fällt.

Sie ist keine Blindheit für das Schwierige, sondern ein weiterer Blick, der auch das Tragende sieht. In schweren Stunden zeigt sie mir die kleinen Lichter, die ich übersehen hätte: ein warmer Tee, ein freundliches Wort, die Stille vor dem Einschlafen.

III. Präsenz als Wohnort

Präsenz ist nicht etwas, das ich übe. Sie ist ein Ort, an dem ich wohne, auch wenn ich oft vergesse, dass ich dort bin. Manchmal kehre ich zurück wie zu einem Haus, das ich verlassen hatte, ohne zu merken, dass ich weggegangen war.

Hier kann ich gleichzeitig suchend und gefunden sein, unvollkommen und ganz. Nicht als Lösung eines Rätsels, sondern als das Rätsel selbst, das schön ist, weil es nicht gelöst werden muss. Jeder Atemzug öffnet eine Tür – nicht zu einem anderen Ort, sondern zu einer anderen Art, hier zu sein.

IV. Der heilsame Boden

Annahme ist wie ein Feld, das den Regen nicht ablehnt, auch wenn er die Pläne durchkreuzt. Sie fragt nicht nach dem Warum, sie sagt einfach: Ja, auch das darf sein. In diesem Ja entspannt sich etwas in mir, das ich gar nicht gespannt zu haben glaubte.

Hier können alle Teile von mir ihre natürliche Form finden – die lauten und die leisen, die hellen und die dunklen. Es sind die Momente ohne Anstrengung, in denen das Leben sich in mir neu ordnet, wie Wasser, das seine Ebene sucht.

V. Die unsichtbaren Fäden

Verbundenheit ist überall, auch dort, wo ich sie nicht sehe. Jeder Schritt ist ein Gespräch zwischen meinen Füssen und der Erde. Jeder Atemzug ein Austausch zwischen innen und aussen. Die Grenzen sind durchlässiger, als ich dachte.

Ich bin nicht nur ein Punkt in einem Netz, sondern auch die Linien, die mich mit allem verbinden. Selbst in der Einsamkeit bin ich in Beziehung – zu dem, wovon ich mich getrennt fühle.

VI. Die lebendigen Begegnungen

Jedes Wort, das ich spreche, verändert nicht nur den anderen, sondern kehrt verwandelt zu mir zurück. Gespräche sind wie kleine Wettersysteme, die ihre eigenen Winde und Regenschauer erzeugen.

In diesem Feld verstehe ich: Es gibt kein reines Geben und Nehmen, nur dieses ständige Fliessen zwischen uns, dieses Entstehen von etwas Drittem, das keinem von uns allein gehört.

VII. Der Raum des Mitgefühls

Mitgefühl ist ein Raum, in dem alles sein darf, ohne beurteilt zu werden. Die schwierigen Gefühle müssen nicht verändert werden, sie wollen nur gesehen werden, wie Kinder, die rufen: Schau mich an.

Dieses Sehen ohne Werten öffnet das Herz. Nicht durch einen Willensakt, sondern wie eine Blüte, die sich dem Licht zuwendet. Das Mitgefühl mit mir selbst wird zur Quelle des Mitgefühls mit allem anderen.

VIII. Das Friedenschliessen

Freiheit ist nicht der Sieg über die Angst, sondern der Frieden mit ihr. Wenn ich aufhöre zu kämpfen gegen das, was da ist, wird auch das Schwierige zu einem Gast, der am Tisch sitzen darf, ohne das ganze Gespräch zu beherrschen.

In dieser inneren Versammlung aller meiner Teile entsteht eine neue Art von Kraft – nicht die Kraft der Verdrängung, sondern die Kraft der Vollständigkeit.

IX. Das Lichten des Schleiers

Das Gewöhnliche legt einen Schleier über die Wunder. Wie Nebel, der die Landschaft verbirgt, obwohl sie noch da ist. Der erste Schluck Wasser am Morgen, das Licht, das durch das Fenster fällt – alles wartet darauf, neu gesehen zu werden.

Dieser Schleier lichtet sich nicht durch Anstrengung, sondern durch Aufmerksamkeit, durch das stille Innehalten, durch die Bereitschaft, auch im Vertrauten das Fremde zu entdecken.

X. Die Kostbarkeit des Nahen

Reichtum ist eine Weise zu sehen, nicht eine Menge zu besitzen. Der Geschmack des Brotes, die Wärme der Sonne auf der Haut, das Schweigen zwischen zwei Sätzen – alles wird kostbar, wenn das Herz bereit ist zu sehen.

Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Herz hat andere Augen als der Kopf. Es sieht die Einzigartigkeit in allem, das Wunder im Alltäglichen, den Schatz im scheinbar Wertlosen.

XI. Die leise Führung

Es gibt eine Stimme in mir, die immer weiss, was stimmig ist. Nicht richtig im moralischen Sinne, sondern stimmig im Sinne dessen, was zu mir gehört. Diese Stimme spricht nicht laut, aber deutlich – in der Weite oder Enge meines Atems, in der Ruhe oder Unruhe meines Körpers.

Wenn ich ihr folge, führt sie mich nicht immer zum Erfolg, aber immer zur Wahrheit. Und die Wahrheit ist der sicherste Boden, auch wenn er nicht immer der bequemste ist.

XII. Das Dienen ohne Zweck

Am Ende entdecke ich: Das Leben wird nicht durch das, was ich für mich erreiche, am tiefsten erfüllt, sondern durch das, was durch mich hindurch wirken kann. Nicht als Pflicht oder Aufopferung, sondern als Erkenntnis, dass es kein "Ich" gibt ohne das "Wir".

Der Atem, der kommt, ohne dass ich ihn rufe. Das Herz, das schlägt, ohne dass ich es befehle. Die Erde, die trägt, ohne zu fragen warum. Nichts ist selbstverständlich. Alles ist Geschenk.

So stehe ich, getragen von dieser stillen Gewissheit, bereit für das, was kommt. Die Reise hat kein Ende – sie besteht in der täglichen Bereitschaft, dem Leben zu vertrauen, der Vielfalt offen zu begegnen, dem Schmerz mit Güte.

Die Lichtung ist überall dort, wo ich bereit bin hinzuhören. Und das Hinhören beginnt jetzt.


 
 
 

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