4. Dialog Krähe und Wanderer
- matthias beyerle
- 14. Sept.
- 17 Min. Lesezeit

Szene: Auf einem Hügel, der Wanderer trifft eine Krähe
Wanderer (blickt in die Weite): So viele Wege. Manchmal frage ich mich, ob einer wirklich meiner ist.
Krähe (vom Baum herab, krächzend): Krrr... erst wenn du gehst, wird er deiner. Nicht weil er dich führt, sondern weil du ihn wählst. Krrrak!
Wanderer: Aber was, wenn ich mich irre?
Krähe (lacht krächzend): Krrr-ha-ha! Irrrren ist Leben. Stehenbleiben ist Tod. Du bist gemeint. Du kannst
Wanderer: Manchmal fühlt es sich an, als ob alles schon entschieden ist. Als ob ich nur noch reagiere.
Krähe (schüttelt die Federn): Reaktion ist der Schatten der Frrreiheit. Krrr... Antworrrrt aber das ist, wenn du mitspielst. Wenn dein Flügelschlag Echo findet. Krak!
Wanderer (nachdenklich): Also liegt die Freiheit darin, mich einzumischen?
Krähe (pickt am Ast): Mittendrrrin, nicht am Rrrand. Krrr! Frrrei ist, wer sich nicht rraushält, sondern rrreingeht.
Wanderer (lächelt): Dann gehe ich weiter. Nicht, um anzukommen, sondern, um zu handeln.
Krähe (breitet die Flügel aus): Und ich fliege mit. Krrr... nicht um zu führrrren, sondern, um zu sehen.
(Der WANDERER und die KRÄHE setzen ihren Weg fort, der Wanderer geht, die Krähe fliegt langsam nebenher, gelegentlich krächzend. Sie kommen an eine Gabelung, von der zwei Wege abzweigen: ein breiter, bequemer Pfad und ein schmaler, verwachsener Weg, der geheimnivoll aussieht.)
WANDERER: Hier teilt sich der Weg. Einer sieht einfacher aus, der andere schwieriger und doch irgendwie anziehend. Wie entscheide ich richtig?
KRÄHE (landet auf einem Wegweiser, krächzt leise): Krrr... rrichtig ist nicht das Ziel, sondern die Haltung, mit der du gehst. Nimmst du den Weg, der dich nimmt, oder den, den du dir nimmst? Krak-krak!
WANDERER: Wo liegt der Unterschied?
KRÄHE (hüpft auf dem Wegweiser): Der Weg, der dich nimmt, brraucht nur deine Rreaktion. Krrr... Der Weg, den du dir nimmst, brraucht deine Antworrrrt.
WANDERER: Antwort?
KRÄHE (neigt den Kopf schief): Ja. Krrr... Es ist, als würrde dich der Weg frragen: «Bist du da? Kannst du schaffen? Spielst du mit?» Deine Antworrrrt macht den Unterrrschied. Krak-krak-krak!
(Der WANDERER überlegt. Ein leichter Wind bewegt die Blätter. Die Krähe putzt sich das Gefieder.)
WANDERER: Ich verstehe. Antwort entsteht nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Begegnung. Ich nehme den Weg, der mich etwas kostet, den ich mitformen kann.
KRÄHE (krächzt zustimmend): Und genau darrin zeigt sich deine Frrreiheit. Krrr-ja! Krak!
(Der WANDERER tritt entschlossen auf den schmalen, verwachsenen Pfad. Die KRÄHE breitet ihre Flügel aus und begleitet ihn, segelt über ihm.)
WANDERER (nach einer kurzen Pause): Warum bist du eigentlich hier, Krähe?
KRÄHE (kreist über ihm): Weil Frrreiheit keine einsame Sache ist. Krrr... Wo jemand seine Frrreiheit lebt, entsteht Rrraum für anderrre, die auch forrmen wollen. Krak-krak!
WANDERER: Also gehört zur Freiheit auch Gemeinschaft?
KRÄHE (lässt sich auf einen niedrigen Ast fallen, nickt weise): Frrreiheit, die nur sich selbst kennt, trrocknet schnell aus. Krrr... Frrreiheit, die anderrren Platz macht, wächst. Krak! Wächst und wächst! Krrr-ha-ha!
WANDERER: Dann gehen wir gemeinsam.
KRÄHE (schlägt mit den Flügeln): Wirr schaffen gemeinsam. Krr!
(Sie verschwinden langsam auf dem schmalen Pfad im Wald. Die Krähe krächzt gelegentlich, ihr Gespräch hallt nach als Einladung, als Versprechen, als Weg.)
(Der schmale Pfad öffnet sich plötzlich zu einer Lichtung. In der Mitte steht ein alter, verwitterter Brunnen, von Moos bedeckt. Die KRÄHE landet behutsam auf seinem Rand, putzt sich die Flügel, der WANDERER tritt näher und blickt hinein.)
WANDERER (nachdenklich): Ein Brunnen mitten im Wald? Er sieht alt und vergessen aus, und doch... lebendig.
KRÄHE (hüpft am Brunnenrand entlang): Vielleicht ein Orrrt, an dem Menschen nach Antworrrten suchen. Krrr... Oder merrrken, dass sie längst in ihnen sind. Krak-krak!
WANDERER (blickt tiefer hinein): Was meinst du damit?
KRÄHE (pickt an einem Moosfleck): Hierr geht es nicht um Wasserrr, sonderrrn um etwas Tieferrres. Krrr... Dieser Brrrunnen zeigt, was dich rruft. Was in dirr lebt, was aus dirr kommen will. Krak!
WANDERER: Ich frage mich oft: Wofür bin ich hier? Gibt es eine Aufgabe, einen Sinn oder ist alles nur Zufall?
KRÄHE (richtet sich auf, krächzt eindringlich): Das Leben stellt dirr genau diese Frrage jeden Tag neu. Krrr! Sinn entsteht nicht dadrrrch, dass du warrrtest, bis er dirr gezeigt wird. Sinn entsteht, indem du antworrrtest auf das, was dich berrührrt, auf das, was dich rruft. Krak-krak-krak!
WANDERER: Aber wie erkenne ich diesen Ruf?
KRÄHE (hüpft näher zum Wanderer): Er zeigt sich im Kleinen. Krrr... In einem Lächeln, das du gibst, in einem Worrrt, das du sagst, in einem Schmerrz, dem du begegnest. Sinn ist nicht grrross oder klein, sonderrrn stimmig. Er entsteht, weil du mit deinem Tun antworrrtest. Krak!
(Der WANDERER schweigt einen Moment, dann schaut er entschlossen auf. Die Krähe beobachtet ihn aufmerksam.)
WANDERER: Ich will sinnvoll leben. Nicht bloss funktionieren. Nicht nur reagieren. Aber wie handle ich frei, ohne mich selbst zu verlieren?
KRÄHE (breitet einen Flügel aus, als wolle sie etwas zeigen): Frrreiheit heisst nicht Beliebigkeit. Krrr... Frrreiheit heisst: dein Handeln folgt einem innerrren «Warrrum». Du bist dann am frrreisten, wenn dein Tun Ausdrruck dessen ist, was dich innerrrlich bewegt. Krak! «Was rruft dich jetzt in diesem Moment? Wie willst du antworrrten?» Krrr-krrr!
(Der WANDERER nimmt eine Handvoll Wasser aus dem Brunnen, betrachtet es und lässt es langsam wieder zurücktropfen. Die Krähe folgt den Tropfen mit den Augen.)
WANDERER: Mich ruft, Leben zu ermöglichen. Ich will ein Beitrag sein, auch wenn ich nicht weiss, wie gross oder klein dieser Beitrag ist.
KRÄHE (nickt energisch, krächzt zustimmend): Genau darrin liegt der Sinn. Krrr! Nicht in der Grrösse deines Beitrrags, sonderrrn in deiner Antworrrrtfähigkeit. In der Gewissheit: Dein Handeln klingt weiterr, es berrührrt, bewegt und macht einen Unterrrschied. Krak-krak!
WANDERER: Das Leben spricht und ich antworte mit meinem Tun.
KRÄHE (schlägt mit den Flügeln, erfreut): Und indem du antworrrtest, wird dein Weg klarerrr. Krrr! Aus Rreaktion wird Antworrrrt. Aus Sinn wird schöpferrische Frrreiheit. Krak-krak-krak!
WANDERER (lächelt ruhig): Dann gehe ich weiter wissend, dass ich gemeint bin, dass ich schaffen kann. Dass meine Antwort zählt.
KRÄHE (ruft triumphierend): Denn Frrreiheit ist deine schöpferrische Antworrrrt auf das Leben. Krrr! Nicht nur deine Wahl, sonderrrn dein Beitrrrag. Krak-krak-krak!
(Sie blicken noch einmal gemeinsam in den Brunnen, bevor sie langsam weiterziehen – tiefer hinein in die Begegnung mit dem Leben. Die Krähe krächzt leise vor sich hin.)
(Der Wanderer und die Krähe verlassen die Lichtung mit dem Brunnen und gelangen zu einer kleinen Hütte, deren Tür halb offen steht. Innen sind Gegenstände sichtbar, die liebevoll arrangiert sind: Bilder, ein Teekessel, ein offenes Buch. Sie treten vorsichtig ein. Die Krähe hüpft neugierig umher.)
WANDERER (schaut sich neugierig um): Ein eigenartiger Ort. Alles hier scheint von Bedeutung zu sein.
KRÄHE (pickt an einem Bücherregal): Vielleicht ist dies ein Orrrt, an dem Sinn spürrrbarr wird. Krrr... Schau genauer hin. Krak!
(Der Wanderer nimmt ein Bild vom Tisch auf und betrachtet es. Die Krähe hopst auf den Tisch und betrachtet es ebenfalls.)
WANDERER: Dieses Bild berührt etwas in mir, ich kann nicht sagen, warum. Es ist, als würde es mich fragen, ob ich mich traue, wirklich frei zu handeln.
KRÄHE (neigt den Kopf schief, krächzt leise): Frrreiheit heisst, aus deinem Innerrren herraus zu handeln, im Klang mit dem, was dich rruft. Krrr... Frrrag dich: Was willst du wirrklich tun, wenn du dich nicht bewerrrten würdest? Krak-krak!
(Der Wanderer setzt sich an den Tisch und nimmt den Teekessel. Die Krähe beobachtet jede seiner Bewegungen.)
WANDERER: Vielleicht einfach nur einen Tee machen ganz bewusst. Nicht weil ich muss, sondern weil es mir entspricht.
KRÄHE (hüpft näher, krächzt zustimmend): Genau hierr liegt der Beginn von Frrreiheit: im achtsamen Tun, im bewussten Entscheiden, im sanften Spürren deines innerrren Wollens. Krrr-krak!
(Der Wanderer giesst Tee ein, beobachtet konzentriert, wie der Dampf aufsteigt. Die Krähe scheint den Dampf ebenfalls zu beobachten.)
WANDERER: Hier, in diesem Moment, fühlt es sich an, als könnte ich einen Unterschied machen, auch wenn er ganz klein ist.
KRÄHE (putzt sich einen Flügel, dann krächzt sie): Genau das ist es: Sinn liegt nicht im Grrrossen, sonderrrn in den kleinen, bewussten Momenten. Krrr... Echo heisst, dass du dich mit etwas Grrrössererrm verrbindest, mit der Welt, mit dem Leben. Was sprrricht dich hierr an? Krak!
(Der Wanderer blickt aus dem Fenster, sieht Blätter im Wind, hört leise Musik aus der Ferne. Die Krähe dreht den Kopf zum Fenster.)
WANDERER: Ich spüre, dass mein Tun eingebettet ist in etwas Grösseres, dass ich Teil davon bin. Ich fühle eine stille Kraft in mir, die sagt: «Das will durch mich in die Welt.»
KRÄHE (richtet sich stolz auf, krächzt kräftig): Das ist die schöpferrische Frrreiheit. Krrr! Du handelst sinnerfüllt, eingebunden, verrantworrrtlich. Das Leben frragt dich ständig: Was tust du jetzt? Krak-krak-krak!
WANDERER: Ich antworte mit meinem Tun und bleibe mir dabei treu.
KRÄHE (schlägt mit den Flügeln): Und wenn du das tust, zeigt sich Frrreiheit. Krrr! Sie ist nicht Beliebigkeit, sonderrrn dein bewusstes Forrmen aus einem innerrren «Warrrum». Krak!
(Der Wanderer nickt entschlossen, trinkt den Tee langsam und steht dann auf. Die Krähe folgt seinen Bewegungen aufmerksam.)
WANDERER: Ich verstehe jetzt besser, wie ich frei handeln kann, ohne mich selbst zu verlieren. Es beginnt im Kleinen, aber es reicht weit hinaus.
KRÄHE (krächzt triumphierend): Denn Frrreiheit und Sinn leben in deinen Antworrrten. Krrr! Was rruft dich und wie antworrrtest du? Krak-krak!
(Der Wanderer und die Krähe verlassen die Hütte. Draussen wartet der Weg, offen und einladend. Die Krähe fliegt voraus und krächzt ermutigend, bereit für ihre nächsten Schritte, hinein in das schöpferische Antworten auf das Leben.)
(Auf einer Lichtung in der Nähe entdecken sie einen weichen, runden Kreis aus Seil, der auf dem Boden liegt. Daneben steht ein kleiner Zettel mit der Aufschrift: «Tritt ein und spüre dich.» Die Krähe hüpft um den Kreis herum, inspiziert ihn neugierig.)
WANDERER (zögert kurz, dann lächelt): Das erinnert mich an etwas, das ich einmal gelesen habe. Eine Einladung zur inneren Reise.
KRÄHE (krächzt ermutigend, hüpft näher zum Kreis): Dann trrritt ein. Krrr! Dies ist kein Orrrt für Eile. Dies ist ein Orrrt für Atem, Grrenze und Gegenwarrrt. Krak-krak!
(Der WANDERER stellt sich in den Seilkreis, schliesst die Augen und atmet langsam ein und aus. Die Krähe beobachtet ihn aufmerksam vom Rand des Kreises.)
KRÄHE (krächzt leise, fast flüsternd): Spürre den Boden unterr deinen Füssen. Krrr... Atme drrrch deine Achse vom Scheitel bis in die Füsse. Werrde ganz hierr. Krak!
WANDERER (nach einem Moment): Ich spüre eine leise Kraft, ein inneres Sammeln... als würde ich endlich in mir landen.
KRÄHE (nickt mit dem Kopf, krächzt zustimmend): Das ist der BAG-Zustand. Krrr! Bewusste Atmung in deiner Krrrraftgrrenze. Dasein nicht irrrgendwo, sonderrrn in dirr. Wie fühlt es sich an? Krak-krak!
WANDERER: Klar. Wach. Und gleichzeitig weich. Als wäre da mehr Raum in mir.
KRÄHE (putzt sich das Gefieder, dann krächzt sie sanft): Dieser Rrraum lädt dich ein zu schauen: Was fühlst du? Was zeigt sich? Krrr... Lass es da sein. Krak!
WANDERER (nachdenklich): Eine Mischung aus Traurigkeit und Scham... alte Stimmen vielleicht, die sagen, ich genüge nicht.
KRÄHE (breitet schützend einen Flügel aus, krächzt beruhigend): Dann sei mit ihnen. Krrr... Atme sie drrrch. Wie Wellen dürfen sie kommen und gehen. Du bist sicherr hierr. Krak-krak-krak!
WANDERER (ein tiefer Atemzug, Tränen steigen auf): Ich erinnere mich an Hannah. Eine Geschichte von einer Frau, die sich selbst durch solche Übung zurückgewann. Sie lernte, Scham und Wut zuzulassen und wurde freier.
KRÄHE (nickt weise, krächzt zustimmend): Ja. Krrr! Ihr Atem ging drrrch ihren Schmerrz hindrrrch. Ihre Selbstabwerrtung wurrde zur Türr zur Selbstannahme. Ihre Verrletzlichkeit warr der Weg in die Weite. Krak-krak!
(Der Wanderer atmet ruhig. Die Szene ist still. Die Krähe beobachtet ihn ruhig, gelegentlich leise krächzend.)
WANDERER: Ich fühle Frieden. Kein spektakulärer, eher ein stiller, echter. Etwas in mir heilt.
KRÄHE (krächzt leise, fast meditativ): Das ist kein Ziel. Es ist ein Zustand. Krrr... Und du kannst ihn immerr wiederr betrreten. Jeder Atemzug ist eine Rrrückkehrr zu dirr. Krak!
WANDERER: Ich beginne zu verstehen. Es geht nicht um Schnelligkeit oder Lösung, sondern um eine lebendige Beziehung zu mir selbst. Und vielleicht... zum Ganzen?
KRÄHE (richtet sich auf, krächzt kräftig): Genau. Krrr! In der Tiefe verrbindet sich dein Ich mit etwas Höherrem. Manche nennen es Licht, anderrre Liebe, anderrre Gott. Du bist Teil davon, nicht getrrrennt. Und wenn du es spürrrst, wird dein Handeln Antworrrrt. Krak-krak-krak!
WANDERER (leise): Dann antworte ich. Mit jedem Schritt, jedem Atemzug. Nicht perfekt – aber echt.
KRÄHE (schlägt triumphierend mit den Flügeln): Und das ist genug. Krrr! Du errrkennst dich. Du heilst. Du forrrmst. Und du bist verrbunden. Krak-krak-krak!
(Sie verlassen gemeinsam den Seilkreis. Der Weg vor ihnen sieht unverändert aus – und doch ist alles anders. Denn der Wanderer trägt nun etwas in sich, das bleibt: eine innere Freiheit, die antwortet. Die Krähe krächzt leise vor sich hin, zufrieden mit dem, was geschehen ist.)
WANDERER: (flüstert): Wer bist du?
LUMINA: (lächelt sanft): Ich bin LUMINA. Manchmal werde ich erst gesehen, wenn der Blick nach innen fällt. Ich begleite jene, die bereit sind, sich selbst wirklich zu begegnen.
KRÄHE: Krrrächz... Sie kennt die Wege derrr innerrrren Landschaft. Lausche ihrrr ...sie sprrricht aus derrr Tiefe. Kraa-kraa.
LUMINA: Du bist durch einen Seilkreis gegangen, hast geatmet, gespürt, geweint. Und nun fragst du: Warum wiederholt sich so vieles in meinem Leben? Warum dieselben Muster?
WANDERER: Ja... Es ist, als ob mich das Leben prüft. Immer wieder. Wie eine Spirale. Und manchmal fühle ich mich wie gefangen in Reaktionen, die ich längst hinter mir lassen wollte.
LUMINA: Weil die Welt dein Spiegel ist. Unsere unterdrückten Gefühle erzeugen Resonanzfelder. Die Aussenwelt spiegelt das, was in dir Heilung sucht. Du siehst Ablehnung und siehst vielleicht die alte Wunde deines Kindes in dir: nicht gesehen, nicht gehalten.
WANDERER: Das bedeutet... das Aussen ruft mich zur Heilung?
LUMINA: Genau. Wie bei Helmut der immer wieder Zurückweisung erlebte. Und erst, als er begann, sich seiner kindlichen Trauer zu stellen, veränderte sich die Resonanz.
KRÄHE: Krrraa... Was sich aussen zeigt, ist Einladung. Kein Urrrteil. Kein Feind. Sonderrrn ein Echo deines Innerrrsten. Krrrächz-krrrächz.
LUMINA: Du musst nicht kämpfen. Du musst fliessen. ... den Fluss nicht länger gegen sich selbst schwimmen. Atme durch deine Achse. Lass los. Vertraue dem Strom.
WANDERER: Und dann...?
LUMINA: Dann wohnst du in dir. Deine innere Landschaft klärt sich. Gefühle reinigen den Raum. Du wirst zum Zuhause für dich selbst. Und das Sein... wird spürbar. Verkörpert.
WANDERER (leise): Ich spüre es jetzt. Etwas Altes fällt ab. Ich bin nicht nur Reaktion, ich bin Antwort.
LUMINA: Und jeder Atemzug macht dich freier. Er verbindet dich mit deiner Quelle. Das Licht, das du vielleicht „Gott" nennst, es ist keine Idee. Es ist gelebte Verbindung. Präsenz. Liebe.
KRÄHE: Krrraa-krrraa... Und manchmal brrrraucht es auch Klarrrheit. Kampf nicht gegen anderrre, sonderrrn gegen die Stimmen in dirrr, die dich klein halten. Krrrächz.
LUMINA: Dein Über-Ich sagt: „Du kannst das nicht." Dann antworte: „Stopp." Atme. Werde vertikal nicht gegen, sondern für dich.
WANDERER (entschlossen): Ich will frei sein. Aber nicht, um mich zu verlieren, sondern um mir treu zu sein. Ich will meine innere Stimme hören, nicht die alten Kritiker.
LUMINA: Dann nimm dein inneres Schwert. Nicht um zu verletzen, sondern um zu klären. Du bist nicht machtlos. Du bist auf dem Weg zur Ganzheit.
KRÄHE: Krrraa... Und wirrr gehen mit dirrr, solange du berrreit bist, mit dem Leben zu sprrrrechen. Krrrächz-krrrächz.
(Der WANDERER nickt, richtet sich auf. Er atmet tief, kraftvoll – durch seine Achse. Der Wald scheint zu lauschen. LUMINA verschwindet langsam im Licht. Die KRÄHE fliegt auf und der Weg öffnet sich weite, nicht aussen, sondern innen.)
REALIST: (mit ruhiger Stimme): Du fühlst dich frei? Gut. Aber sei wachsam. Das ÜBER-ICH schläft nicht. Es kann sich tarnen als dein Ehrgeiz, dein Pflichtgefühl, sogar als spirituelle Stimme.
WANDERER (blickt überrascht auf): Ich dachte, ich hätte es erkannt... überwunden sogar.
REALIST: Das hast du. Vielleicht gestern. Vielleicht vor einer Stunde. Aber es kommt wieder. Subtiler. Intelligenter. Es weiss, wie du funktionierst. Deshalb brauchst du deinen Atem. Immer wieder.
KRÄHE: Krrraa... Derrr Achsenatem ist deine Rrrückverrrrbindung. Errr errrrinnerrrrt dich darrrran, werrr du bist, nicht werrr du sein sollst. Krrrächz.
WANDERER: Also ist Rückfall... normal?
REALIST: Nicht nur normal, er ist Teil des Weges. Du wirst dich 100-mal verlieren. Aber du kannst dich 101-mal zurückholen. Das ist der BAG-Zustand: Erlaubnis. Atmen. Gegenwärtigkeit. Immer wieder. Immer neu.
WANDERER (leise): Ich beginne zu verstehen... Es geht nicht darum, perfekt zu sein, sondern verbunden zu bleiben.
REALIST: Und darum, dich nicht zu identifizieren mit dem, was dich abwertet. Das ÜBER-ICH wächst mit dir. Es wird raffinierter. Aber dein Bewusstsein wächst auch. Es kann unterscheiden. Es kann sagen: Stopp.
KRÄHE: Krrraa-krrraa... Und mit jedem Stopp wächst deine krrreative Lebenskrrrraft. Du kommst zurrrück zu dirrr. Zu deinerrr Ganzheit. Krrrächz.
WANDERER: Ich dachte immer, ich müsste kämpfen gegen die Welt. Aber der eigentliche Kampf... ist in mir.
REALIST: Genau. Der einzige Kampf, der sich lohnt. Gegen deinen inneren Kleinmacher. Gegen die Stimme, die sagt: Du bist zu viel. Du bist zu wenig. Du darfst nicht strahlen.
WANDERER (mit neuer Klarheit): Ich nehme mein inneres Schwert. Nicht gegen Menschen. Sondern gegen die Muster, die mich kleinhalten.
KRÄHE: Krrrää... Und in dieserrr Klarrrheit wirrrd dein Weg weiterrr. Und wahrrrerrr. Krrrächz-krrrächz.
REALIST: Und vergiss nicht: Die Ganzheit beginnt nicht, wenn du perfekt bist. Sie beginnt, wenn du aufhörst zu fliehen und beginnst, bei dir zu wohnen.
(Der WANDERER atmet tief. Seine Haltung wird ruhig, geerdet. Der REALIST nickt knapp und verschwindet wieder im Schatten des Waldes. Die KRÄHE fliegt auf.)
WANDERER (blickt in den Himmel, dann nach innen): Ich sehe klarer. Mein Weg ist kein gerader Pfad, sondern ein ständiges Zurückkehren zu mir. Ich werde mich verlieren, ja. Aber ich kann mich auch immer wieder finden. Nicht, weil ich stark sein muss, sondern weil ich verbunden bin.
Ich habe gelernt: • Mein Atem ist mein Anker. Der Achsenatem holt mich zurück, wenn ich mich verliere. • Das Über-Ich ist wandelbar, es taucht in neuen Masken auf. Doch ich kann es erkennen, benennen und ihm entgegentreten. • Rückschritte sind keine Fehler, sie sind Gelegenheiten zur Rückverbindung. • Mit jedem bewussten Atemzug wächst meine kreative Kraft, nicht aus Leistung, sondern aus innerer Freiheit. • Ich bin nicht das kleine Ich. Ich bin mehr. Ich bin verbunden. Ich bin Ganzheit.
(Der WANDERER geht weiter, Schritt für Schritt. Nicht getrieben – sondern getragen. Nicht aus Pflicht – sondern aus einem inneren Warum. Die KRÄHE begleitet ihn still, aus der Luft.)
KRÄHE: Krrraa... Du bist still geworrrden. Krrrächz.
WANDERER: Ja. Weil ich spüre, wie tief der Weg geht. Es ist nicht nur ein Weg der Freiheit. Es ist ein Weg zurück – zu etwas, das ich nie ganz hatte.
KRÄHE: Krrrää... Du meinst die Ganzheit. Krrrächz-krrrächz.
WANDERER: Ja. Dieses innere Gefühl, dass ich genug bin. Dass ich einfach da sein darf. Ohne etwas leisten zu müssen. Ich erkenne, dass ich mein ganzes Leben lang Anerkennung gesucht habe – durch Tun, durch Anpassung, durch Stärke.
KRÄHE: Krrraa-krrraa... Und was fehlt, ist existenzielle Bestätigung. Dieses Urrrgefühl: „Ich bin da und das genügt." Krrrächz.
WANDERER: Meine Wut war ein Ruf danach. Sie kam aus einem Mangel nicht gesehen worden zu sein. Nicht in meinem Wesen, nur in meinem Verhalten.
KRÄHE: Krrrää... Und nun? Krrrächz.
WANDERER: Jetzt spüre ich: Mein wahres Sein ist meine Heimat. Kein Bild, keine Rolle. Es ist einfach... Ich. Und wenn ich darin verankert bin, brauche ich keine Masken mehr.
KRÄHE: Krrraa... Dann wirrrd aus Leerrre Weite. Und aus Schmerrrz Mitgefühl. Auch fürrr dein innerrres Kind, das das nie gehörrrrt hat: „Ich bin so frrroh, dass du da bist." Krrrächz-krrrächz.
WANDERER: Und doch darf ich es mir jetzt selbst sagen. Ich kann atmen, fühlen, sein. Und wenn ich in die Tiefe sinke hinter meine Muster, dann spüre ich mein Wesen. Es ist stark. Und weich. Und ganz.
KRÄHE: Krrraa-krrraa... Du hast den Unterrrschied zwischen deinerrr Perrrrsönlichkeit und deinem wahrrrren Wesen errrrkannt. Die Perrrrsönlichkeit ist nurrr Schutz. Das Wesen ist Wahrrrheit. Krrrächz.
WANDERER: Und manchmal ist es schmerzhaft, das zu fühlen. Die alten Emotionen, die in meinem Körper wohne, sie kommen zurück. Aber der Atem hilft mir. Der Achsenatem gibt mir Halt. Und der Gewebeatem bringt Bewegung – in das, was erstarrt war.
KRÄHE: Krrrää... Und so heilst du. Nicht durrrch Denken, sonderrrn durrrch Fühlen. Nicht durrrch Kontrrrolle, sonderrrn durrrch Hingabe. Krrrächz-krrrächz.
WANDERER: Ich habe gelernt, dass Symptome keine Störungen sind. Sie sind Botschaften. Eintrittstore. Mein Körper spricht mit mir. Und wenn ich zuhöre – nicht fliehe – dann entsteht etwas Neues. Ich komme heim.
KRÄHE: Krrraa... Du bist derrr, derrr du bist, jenseits von Pflicht, jenseits von Angst. Du bist da. Und das genügt. Krrrächz.
(Der WANDERER schliesst die Augen, atmet langsam durch. Eine Träne rollt über sein Gesicht – leise, sanft. Die KRÄHE verharrt still. Über ihnen rauscht der Wind durch die Bäume.)
WANDERER (flüstert): Ich bin da.
Zwölf Betrachtungen
I.
Zwischen den Atemzügen liegt ein kleiner Raum, kaum bemerkbar, doch voller Stille. Dort sammelt sich, was ich bin, bevor die Gedanken es benennen. Eine Krähe sass heute auf dem niedrigen Ast einer Birke. Ihre Augen, schwarz wie Wintererde, schienen zu sagen: Du suchst zu weit. Das Feld deiner Energie erstreckt sich nur soweit wie dein Atem reicht. Nicht weiter. In diesem bescheidenen Umkreis liegt dein Königreich, nicht erobert durch Kampf, sondern bewohnt durch einfaches Dasein. Wie der erste Schnee sich auf die Wiese legt: ohne Absicht, aber vollkommen.
II.
Das Licht am Morgen fällt anders als gestern. Lumina – wenn das ihr Name war – sprach von Spiegeln. Nicht die aus Glas, sondern die lebendigen: Gesichter, Situationen, die plötzliche Kühle einer Begegnung. Sie sagte leise: Was du ablehnst im anderen, ruft nach Heilung in dir. Der Freund, der sich zurückzieht, vielleicht zeigt er dir die alte Angst des Kindes, das du warst: nicht gehalten zu werden. So wiederholt sich, was noch nicht verstanden ist. Nicht durch Analyse, sondern durch Rückkehr. In den einfachen Rhythmus des Atmens. In die Gewissheit, dass auch du da sein darfst.
III.
Ein Mann in dunkler Jacke trat aus dem Schatten der Tannen. Seine Stimme hatte die Nüchternheit des Regenbodens: Das Über-Ich, sagte er, ist klug. Es wechselt die Gestalt, heute Ehrgeiz, morgen falsche Demut. Es kennt deine Schwächen wie ein Förster seine Wege. Deshalb such nicht die Perfektion. Such die Wiederkehr. Hundertmal wirst du dich in den Gedankenschleifen verlieren. Hundertundeinmal kannst du innehalten. Atmen. Gegenwärtig werden. Das ist kein Ziel, das ist wie das Wasser, das sich immer wieder seinen Weg bahnt.
IV.
Die Stille hat keine Stimme und spricht doch. Sie ist das Weisse zwischen den geschriebenen Zeilen. Sie sagt: Ich bin das, was übrig bleibt, wenn der Lärm verstummt. Dein innerer Raum, vergessen wie ein alter Garten. Wenn du in mich einkehrst, wird alles klarer. Wenn du mich meidest, wirst du müde wie einer, der gegen den Wind geht. Ich bin nicht der Feind der Welt. Ich bin dein Platz in ihr. Wie ein Stuhl am Fenster, auf dem das Abendlicht ruht. Setz dich. Ich warte.
V.
Meine Gefühle sind wie Vögel, die kommen und gehen. Wenn ich einem Raum gebe, ohne zu fragen, ob es das richtige ist, dann beginnt etwas zu fliessen. Der verschluckte Ärger wird zur klaren Grenze, wie ein Zaun, der den Garten schützt. Die Trauer, wenn ich sie lasse, macht weich wie der Regen die harte Erde. Gefühle sind Bewegung, nicht Besitz. Sie zeigen mir nur: Hier ist etwas, das Aufmerksamkeit braucht. Wie ein Kätzchen, das an der Tür kratzt.
VI.
Das Leben ruft leise. Nicht wie der Verkehr oder die Nachrichten – sondern wie der Wind in den Blättern der Linde vor meinem Fenster. Eine Sehnsucht, die keinen Namen hat. Ein Unbehagen, das sich nicht erklären lässt. Ein Klopfen, das nicht von aussen kommt. Viele überhören es oder betäuben es mit Geschäftigkeit. Doch wer anhält beim Gehen, beim Denken, der spürt: Etwas möchte wachsen. Etwas Altes ist zu eng geworden. Wie die Schlange, die ihre Haut abstreift. Das ist keine Schwäche, das ist die natürliche Bewegung des Lebendigen.
VII.
Menschen sind wie Bäume: Sie wachsen nebeneinander, berühren sich manchmal mit den Ästen, aber ihre Wurzeln bleiben verborgen. Echte Verbindung, das ist, wenn die Wurzeln einander finden, tief unter der sichtbaren Oberfläche. Das geschieht nur, wenn ich aufhöre, mich zu verstecken hinter den gewohnten Sätzen. Wenn ich sage: So fühle ich mich, gerade jetzt. Wenn ich frage: Wie geht es dir wirklich? Das braucht Mut. Wie das erste Grün im Frühling, zart und dennoch unaufhaltsam.
VIII.
Das Leben lieben ist nicht dasselbe wie es verstehen. Verstehen will erklären, kategorisieren, sicher machen. Lieben heisst: sich einlassen auf das Unbekannte. Auf die Freude, die plötzlich kommt wie Sonnenschein nach Regen. Auf den Schmerz, der ebenso unvermittelt eintritt. Auf das Nichtwissen, das grösser ist als alle Gewissheiten. Wer das Leben liebt, hört auf zu kämpfen gegen seine Unvorhersagbarkeit. Er wird wie Wasser: formlos und doch lebendig, nachgiebig und doch unzerstörbar.
IX.
Es ist schon alles da,
nur nicht dort, wo ich gesucht habe. Nicht in den Geschäften, nicht in den Begegnungen, nicht in den Plänen für morgen. Sondern hier, in diesem kleinen Raum zwischen Brustbein und Rücken, wo der Atem ein- und ausgeht. Die Sehnsucht und ihre Stillung. Die Frage und ihr Echo. Wie in einer Nuss der ganze Baum enthalten ist, so ist in diesem Moment alles enthalten, was ich brauche. Ich bin nicht unvollständig – ich habe nur weggeschaut.
X.
Veränderung kommt auf leisen Sohlen, wie die Dämmerung. Nicht mit Trompetenstössen oder Entschlüssen, sondern wie das Wasser, das den Stein aushöhlt – unmerklich und stetig. Eines Tages kann ich den alten Satz nicht mehr aussprechen. Die gewohnte Geste stockt. Etwas in mir sagt: Nein, nicht mehr so. Das Alte funktioniert nicht mehr, das Neue ist noch nicht da. Wie zwischen Winter und Frühling diese unbestimmten Tage liegen, wo man nicht weiss: Ist es schon warm genug? In dieser Ungewissheit geschieht die Wandlung.
XI.
In mir wohnen verschiedene Stimmen – wie in einem Haus mit vielen Zimmern. Das Kind, das weint. Der Erwachsene, der alles kontrollieren will. Die Angst, die warnt. Der Mut, der lockt. Integration heisst nicht: sie zum Schweigen bringen. Sondern: ihnen allen zuhören. Wie ein Dirigent seinem Orchester zuhört – auch den falschen Tönen. Ich bin nicht nur eine Melodie. Ich bin die ganze Symphonie: mit Dissonanzen und Harmonien, mit lauten und leisen Stellen. In dieser Vielstimmigkeit liegt eine eigene Schönheit.
XII.
Vertrauen ist wie das Gehen im Dunkeln: Man sieht den nächsten Schritt, nicht den übernächsten. Es heisst nicht: "Alles wird gut." Es heisst: "Ich werde einen Weg finden." Dieses Vertrauen wächst nicht in den Gedanken, sondern in den Erfahrungen. Ich bin schon oft gefallen und wieder aufgestanden. War allein und fand Gesellschaft. War verzweifelt und entdeckte unverhofft eine kleine Tür, die sich öffnete. So entsteht die Gewissheit: Etwas trägt mich – auch wenn meine Hände leer sind. Das ist vielleicht das Geheimnis: nicht festhalten zu müssen, und dennoch gehalten zu sein.




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