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1. Dialog: Selbstkontakt - Eigenresonanz

Aktualisiert: 13. Sept.

Der unbewegte Sprung


Dialog: Der unbewegte Sprung – Frosch und Wanderer


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Szene: Ein Waldrand, früh am Morgen. Nebel liegt über dem Boden. Ein Wanderer tritt aus dem Unterholz. Er will weiter, schaut nur kurz in die Landschaft. Dann sieht er einen Frosch, der mitten auf dem Weg sitzt, unbeweglich.



Ein Stück über Resonanzkommunikation


Szene: Waldrand im Morgendämmern. Nebelschleier wabern zwischen den Bäumen. Ein schmaler Pfad führt durch die Lichtung.

Ein WANDERER tritt aus dem Unterholz, Rucksack auf den Schultern, den Blick nach vorn gerichtet. Er will weitergehen, als er innehält.

WANDERER: (murmelt vor sich hin) Der Tag schweigt noch. Besser, ich gehe weiter, bevor...

FROSCH: (von einem Stein am Wegrand, ohne sich zu rühren) Quak-erstaunlich, wie viele vorbeihüpfen, bevor sie landen. Hast du heute schon gequakt?

WANDERER: (irritiert) Gequakt? Ich... bin nur unterwegs.

FROSCH: Hüpfen ist einfach-quak. Verweilen ist schwer-schwer. Der Quak, von dem ich spreche, kommt nicht aus der Kehle. Es ist ein Standquak, einer, der nicht ausweicht, sondern sumpfig wird. Einer, der nicht weiss, in welchem Teich er endet, und trotzdem tönt.

WANDERER: Und was meinst du mit "quaken", wenn ich doch still bin? Du sprichst von einem... Sprung?

FROSCH: (richtet sich leicht auf) Der Quak beginnt nicht im Maul-maul. Er beginnt im Morast unter dir. In dem stillen Augenblick, wo du aufhörst zu trippeln, aber innerlich vibrierst-vibrierst. Es ist ein schräger Quak. Nicht nach oben ins Luftige, nicht seitwärts ins Flüchtige, sondern quer durch deine Knochen. Der Boden ist nicht nur Unterlage-lage. Er ist Schwingung. Eine Kraft, die dich wiegt, wenn du ihr dein Gewicht schenkst-schenkst.

WANDERER: Also, ein unbewegter Sprung? Mir fehlt die Ruhe dazu. Und ins Ungewisse springe ich schon gar nicht.

FROSCH: (ein wissendes Augenzwinkern) Der Standquak ist kein Kunststückchen-stückchen. Er ist Gewichtsverlagerung: von der Hetzerei ins Sumpfen. Vom Wollen ins Horchen-horchen. Vom Machen ins Quaken.

WANDERER: (nachdenklich) Du meinst einen standhaften Sprung? Einen, der nicht ausweicht, sondern innehält?

Der Wanderer verharrt. Der Frosch rührt sich nicht vom Fleck.

WANDERER: Wenn dieser... standhafte Sprung also keine Leistung ist, sondern ein Innehalten. Wie erkenne ich, ob ich wirklich unbeweglich springe oder doch nur wieder etwas erreichen will?

FROSCH: Wenn du dich das fragst-fragst, bist du vielleicht schon mitten im Vibrieren. Das unsichtbare Vibrieren. Das, was in dir umstimmt, ohne dass du wanderst-wanderst. Das ist der unbewegliche Quak.

WANDERER: Und wenn ich den Boden nicht spüre? Wenn dabei nichts schwingt?

FROSCH: (tief und ruhig) Dann bleib-bleib. Nicht als Versteck, als Sumpfpunkt. Sei schwer genug, dass dich nicht jeder Gedankenfrosch wegträgt-trägt. Spür den Ort, nicht den Plan-plan. Und erinnere dich: Der Boden wiegt dich nicht mechanisch-mechanisch. Er wiegt dich, wenn du ihn innerlich anquakst. Als das, was dich aufrichtet, nicht was dich festhält-hält.

WANDERER: (seufzt) Ich spüre oft nur Anspannung. Verliere mich im Alltag, im Berufsleben.

FROSCH: Anspannung ist ein Quakzeichen. Nicht das Ende-ende. Und selbst wenn du den Grund nicht fühlst, er wiegt dich. Immer-immer. Wie der Teich, der den Kiesel aufnimmt, ohne zu fragen, ob er schwer ist-ist.

WANDERER: Also ist Sicherheit kein Zustand?

FROSCH: (nachdenklich quakend) Sicherheit ist kein Besitztum-dumm. Sie ist Quakbeziehung. Ein stiller Dialog mit dem Sumpf der Welt. Sie fragt nicht nach Zertifikaten-katen. Sie fragt, ob du da bist, mit allem-allen. Auch mit dem, was in dir zittert-zittert.

WANDERER: Wenn Sicherheit keine feste Stelle ist, sondern eine Beziehung, wie lerne ich, in Beziehung zu bleiben, wenn es in mir nicht funktioniert? Wenn mir die Beziehung zu mir selbst fehlt?

FROSCH: (mit einem tiefen, kehligen Laut) Funktionieren ist wie ein Blatt ohne Stiel-stiel. Praktisch, bis der Sturm kommt. Nur was sich verwurzeln darf im Morast, hält stand-stand. Und weiß, wann es quaken muss.

WANDERER: (verstehend, langsamer werdend) Du meinst... wenn ich aufhöre, nur zu funktionieren und mich verwurzele, indem ich mir erlaube da zu sein - dann finde ich innere Resonanz, Eigenkontakt und spüre, wann es Zeit ist für den wahren Sprung? Ich bin da. Ich atme. Und ich darf sein?

FROSCH: (ein zufriedenes Glucksen) Und das ist der Anfang-fangan. Vielleicht auch das Ziel-ziel. Du hast den Quak schon begonnen, er ist nur noch nicht hörbar-hörbar. Noch nicht-nicht.

Lange Pause. Der Frosch schaut den Wanderer direkt an, seine Augen glänzen feucht.

FROSCH: Ich quake dir etwas zu. Nicht weil ich die Antwort brauche-brauche. Sondern weil du sie vielleicht hören musst-musst: Was in dir möchte sich rühren, ohne zu müssen-müssen? Was darf sich zeigen, ohne gefragt zu werden-werden? Und wer bist du, wenn niemand von dir etwas erwartet-wartet?

Stille. Nur das kaum hörbare Säuseln des Windes in den Blättern.

FROSCH: (leiser, eindringlicher) Der Standquak ist kein Sprung ins Neue-neue. Er ist ein Rückquak zu dir. Nicht zurück in die Vergangenheit, sondern zurück in den Sumpf deiner Gegenwart-wart. Den Moment, wo du nicht mehr fliehen musst-musst.

WANDERER: Du sprichst von einem Rücksprung... zu mir selbst? In den Ursprung meiner Gegenwart?

WANDERER: Und wenn ich wieder fliehen will?

FROSCH: (beginnt sich zu erheben) Dann merkst du es wenigstens-stens. Und das ist schon ein schräger Sprung. Einer, der schräg durch dich geht und dich dort absetzt, wo du schon warst-warst. Nur wacher-wacher. Du resonierst mit dir selbst-selbst.

Der Frosch steht nun langsam auf. Er blinzelt in die ersten Sonnenstrahlen, die den Nebel durchdringen. Dann dreht er sich bedächtig um und hüpft mit gemessenen Sprüngen ins hohe Gras.

FROSCH: (noch einmal zurückblickend) Quak-gut. Der Sumpf ruft-ruft.

Der Wanderer setzt sich langsam auf einen bemoosten Stein am Wegrand. Er schließt die Augen. Der Nebel hebt sich allmählich. Erste Vogelstimmen erklingen. Der Weg liegt frei vor ihm - aber der Wanderer bleibt.

WANDERER: (leise, zu sich) Ein diagonaler Sprung. Ich quake. Also bin ich.

Vorhang.

Szene: Ein Waldrand, früh am Morgen. Nebel liegt über dem Boden. Ein Wanderer tritt aus dem Unterholz. Er will weiter, schaut nur kurz in die Landschaft. Dann sieht er einen Frosch, der mitten auf dem Weg sitzt, unbeweglich.


Meditationen über den unbewegten Sprung


I. Die Stille zwischen den Schritten

Es gibt Augenblicke, in denen das Gehen aufhört, ohne dass man stehenbleibt. Der Frosch sprach eine Sprache, die ich nicht kannte, und doch verstand ich jedes Wort. Seine fremden Silben fielen wie Wassertropfen in die Stille meiner Verwirrung und erzeugten Kreise, die sich immer weiter ausbreiteten.

Ich sass auf einem Stein, der älter war als alle meine Fragen. Unter mir die Erde, über mir der Himmel – und dazwischen dieser winzige Raum, in dem ich endlich sein durfte, ohne zu erklären warum.

II. Die Übersetzung des Herzens

Seine Quak-Worte waren wie eine verschlüsselte Botschaft an etwas in mir, das lange geschlafen hatte. Als er von "sumpfen" sprach, verstand mein Körper vor meinem Verstand. Als wüssten meine Knochen, was er meinte, bevor mein Kopf es begriffen hatte.

Die Übersetzung geschah nicht in meinem Denken, sondern tiefer, dort wo Worte noch nicht von ihrer Wahrheit getrennt sind. Seine fremde Sprache gab mir meine eigene zurück.

III. Das Gewicht der Gegenwart

Die Spannung in mir war wie ein gespannter Bogen. Ich hatte immer versucht, ihn zu entspannen, den Pfeil abzuschiessen oder die Sehne zu lösen. Der Frosch lehrte mich etwas anderes: im gespannten Zustand zu verweilen, ohne zu schiessen.

In diesem Verweilen öffnete sich ein Raum, von dem ich nicht gewusst hatte, dass er existierte. Ein Raum zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen Frage und Antwort, zwischen Atem und Atem.

IV. Die Geographie der Verwurzelung

Der Morast, sagte er, sei nicht schmutzig, sondern nährend. Was ich für Grund hielt – hart, verlässlich, unveränderlich –, war nur die Oberfläche. Darunter lag etwas anderes: weich, lebendig, durchlässig.

Meine Füsse lernten einen neuen Gang, einen Gang, der nicht über die Erde hinwegging, sondern mit ihr. Als würde der Boden mit jedem Schritt nachgeben und mich gleichzeitig tragen.

V. Der Spiegel des Anderen

In seinem kleinen Froschgesicht sah ich etwas, das ich verloren hatte: die Selbstverständlichkeit des Daseins. Er fragte nicht, ob er da sein durfte. Er war einfach da, vollständig, ohne Entschuldigung.

Diese Begegnung war wie ein Spiegel, der mir nicht zeigte, wie ich aussah, sondern wie ich war, wenn niemand hinschaute. Ehrlich, ungekünstelt, ohne die Masken, die ich für nötig gehalten hatte.

VI. Die Ethik der Selbstbegegnung

Mir selbst zu begegnen mit derselben Höflichkeit, mit der ich einem Fremden begegne – das war eine Revolution. Nicht zu urteilen über das, was ich in mir antraf, sondern neugierig zu bleiben, fragend, offen.

Es war, als würde ich lernen, mein eigener Gast zu sein. Und Gastfreundschaft bedeutete: Platz machen für das, was kommen wollte, auch wenn es unbequem war.

VII. Die Topographie des Innenraums

Der diagonale Sprung führte mich nicht zu einem anderen Ort, sondern zu einer anderen Weise, den gleichen Ort zu bewohnen. Plötzlich war da eine Tiefe, wo vorher nur Oberfläche gewesen war. Raum, wo ich Enge gespürt hatte.

Mein Inneres war kein psychologisches Konzept mehr, sondern ein Ort mit eigenem Wetter, eigenen Jahreszeiten, eigenen stillen Landschaften, die darauf warteten, entdeckt zu werden.

VIII. Die Musik der Eigenresonanz

Etwas in mir begann zu schwingen, nicht als Antwort auf etwas anderes, sondern aus sich selbst heraus. Wie eine Kirchenglocke, die auch noch nachklingt, wenn der Wind, der sie bewegt hat, längst vorbei ist.

Diese Resonanz veränderte alles, ohne etwas zu verändern. Die Bäume waren noch dieselben Bäume, aber sie klangen anders. Das Licht war noch dasselbe Licht, aber es berührte mich anders.

IX. Die kreisende Zeit

Zeit wurde zu etwas, das man bewohnen konnte, nicht nur durchlaufen. Jeder Moment war nicht mehr nur ein Punkt zwischen vorher und nachher, sondern ein Raum, der sich ausdehnen konnte, wenn ich ihn liess.

Der "Rückquak" des Frosches war eine Einladung in diese andere Zeit. Nicht zurück in die Vergangenheit, sondern tiefer hinein in die Gegenwart, dort wo alle Zeit ihren Ursprung hat.

X. Die Ökologie des Gesprächs

Unser Dialog war wie ein kleines Biotop, in dem verschiedene Arten von Wahrheit gedeihen konnten. Seine erdige Weisheit und meine luftigen Gedanken begannen sich zu mischen, neue Bedeutungen zu zeugen.

Es war nicht so, dass einer von uns dem anderen etwas beibrachte. Es war, als würden wir gemeinsam etwas entdecken, das schon immer da gewesen war und nur auf dieses Gespräch gewartet hatte, um sichtbar zu werden.

XI. Die Alchemie des Verweilens

Die Verwandlung geschah so leise, dass ich sie fast übersehen hätte. Keine dramatische Veränderung, kein Blitz der Erleuchtung. Nur dieses sanfte Sich-Setzen in mir selbst, wie Wasser, das seine natürliche Höhe findet.

Der Frosch war längst verschwunden, aber das, was zwischen uns entstanden war, blieb. Nicht als Erinnerung, sondern als neue Art, in der Welt zu sein.

XII. Die Vollendung der Rückkehr

Am Ende verstand ich: Der unbewegte Sprung war die Entdeckung, dass ich nie fort gewesen war. All das Suchen, all die Bewegung war nur der Umweg zu dieser einen Erkenntnis: Hier bin ich. Hier war ich immer schon.

Der Weg liegt noch immer vor mir, aber ich bin nicht mehr auf der Flucht. Wenn ich jetzt weitergehe, dann nicht weil ich muss, sondern weil der Weg selbst mich trägt. Und in jedem Schritt ist dieser eine Schritt enthalten: der Schritt zu mir selbst, der unbewegte Sprung ins Herz dessen, was ist.



 
 
 

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